Ein Schmied erzählt aus seinem Leben

Wie entscheidet man sich für diesen Beruf? Jakob Hess erzählt, wie es bei ihm dazu kam


Der Beruf des Schmieds ist hart und geht auf die Knochen. Bei Wind und Wetter arbeitet er draußen, nicht selten ungeschützt gegen Sonne, Wind und Regen. Im Winter kriecht ihm Kälte und Feuchtigkeit in die Knochen, im Sommer verbrennt ihm die Haut, und die Hitze kann einen langen Arbeitstag zur Tortur werden lassen. Gesundheitliche Schäden bleiben nicht aus.

Und nicht jedes Pferd streckt brav seinen Huf vor und lässt ihn in Ruhe seine Arbeit machen. Unaufmerksamkeit kann er sich nicht erlauben, zu hoch ist das Risiko für sich selbst und das Tier.

Auch die Kunden sind nicht immer einfach. Alle erwarten die beste Behandlung für ihr Pferd, hohe Präzision in der Arbeit und natürlich Flexibilität. Wenn das Pferd ein Eisen verliert, soll der Schmied möglichst sofort kommen – aber wie soll das gehen?

Wer entscheidet sich für diesen Beruf?

Jakob Hess hat es vor vielen Jahren getan. Seit einundsechzig Jahren arbeitet er nun mit einer Unterbrechung von zwölf Jahren in diesem Beruf.

Mehr als ein halbes Jahrhundert liegt zurück, seit er als Vierzehnjähriger bei einem Schmied in der Nachbarschaft in die Lehre ging, seit 1975 ist er selbstständiger Schmiedemeister.

Eigentlich wollte er Schiffsdieselschlosser werden, gibt er freimütig  zu. Als daraus nichts wurde und die Eltern, wie damals üblich, jeden kindlichen Esser möglichst schnell vom Tisch haben wollten, blieb ihm keine große Wahl – doch er hat diese Entscheidung nie bereut.

Wie viele Pferde er in seinem Leben beschlagen hat, weiß er nicht – es sind einfach zu viele.

Dass ein Leben harter körperlicher Arbeit hinter ihm liegt, sieht man ihm an. Darüber hat er jedoch nicht den Humor verloren.

Mit spitzbübischem Blick sitzt er uns gegenüber und erzählt mit dem ihm eigenen Humor aus seinem Leben, das bis in frühere Generationen hinein irgendwie mit Pferden zu tun hatte und verstehen lässt, warum er als Schmied glücklich geworden ist, auch wenn es ursprünglich nicht sein Traumberuf war.

Wie nebenbei tut sich beim Erzählen gleichzeitig ein Stück Zeitgeschichte auf.

Als sogenannte Russlanddeutsche gründeten die Eltern in Bessarabien ihre große Familie. Insgesamt zwölf Kinder kamen zur Welt, von denen jedoch nur vier überlebten.

Der Vater war Pferdehändler und bewirtschaftete ein kleines Stück Land. Nach dem Überfall auf Polen und dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs folgte die Familie 1941 Hitlers Aufruf „Heim ins Reich“.

Im Darlinger Kreis Leipe in Westpreußen erhielten die Eltern Ersatz für ihr zurückgelassenes Land und die zweihundert Pferde, die nun als Zugpferde für Kanonen eingesetzt wurden.

Sie bekamen einen Siedlungshof mit ca vierzig Hektar Land. Der enteignete polnische Bauer musste auf seinem eigenen Hof Zwangsarbeit verrichten, erzählt Jakob.

Dort kam er 1942 zur Welt, ein Jahr nach seinem Bruder, der auf der Reise nach Schlesien geboren worden war. Der Vater musste schon bald nach seiner Geburt an die Front im Osten, die Mutter blieb mit den Kindern und der Landwirtschaft allein.

Einige Arbeitspferde halfen ihr bei der Feldarbeit. Zwei von diesen braven Arbeitstieren standen ihr auch zur Seite, als sie im Januar 1945 Hals über Kopf den Hof verlassen und sich mit den vier noch lebenden Kindern und den alten Eltern auf die Flucht gen Westen begeben musste.

Ohne die Pferde hätten sie es nie geschafft, da ist Jakob sich sicher. Menschen und Tiere waren total ausgezehrt und halb erfroren in diesem erbarmungslosem Winter, erinnert er sich.

Nur mühsam kam der Treck aus ca 1000 Fuhrwerken und unzähligen Menschen zu Fuß voran, viele starben an Hunger, Kälte oder durch die Bomben aus der Luft.

Der damals erst dreijährige Jakob erinnert sich an seine Gedanken in dieser verzweifelten Situation:

„Ich saß auf dem Kutschbock, starrte auf die Hinterbacken der Pferde und dachte nur unablässig: Fleisch,  Fleisch – so hungrig war ich!“

Zum Glück wurden die treuen Tiere nicht geschlachtet, denn sie sollten die Familie nicht nur nach  viermonatiger Flucht völlig entkräftet ans  Ziel bringen, sondern auch in Zukunft einen nicht unerheblichen Beitrag zum Überleben der Familie leisten.

Gleichzeitig haben die frühen Erlebnisse auch Jakobs Verhältnis zu Pferden geprägt.

Wie es weitergeht, lest ihr in den folgenden beiden Kapiteln.

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