Ullu Becker ist Pferdemensch durch und durch und in den vielen Jahren, die sie mit Pferden verbracht hat, sind ihr einige in Erinnerung geblieben. Doch das unangefochtene Lieblingspferd, die absolute Nr. 1 in ihrem Leben, ist und bleibt Hrappur.


Wenn Ullu auf Hrappur zu sprechen kommt, fangen ihre Augen an zu leuchten und dies, obwohl der Hengst, der 27 Jahre alt wurde und davon 22 in ihrem Besitz war, nun seit bereits 33 Jahren tot ist.

Seitdem haben viele hochkarätige Pferde ihren Weg gekreuzt. Sicher waren auch einige aus ihrem eigenen Zuchtbetrieb, dem Grenzlandhof, dabei, den Ullu Becker vor nunmehr 50 Jahren mit ihrem Mann Claus im Saarland aufgebaut hat und den sie heute als Mehrgenerationenbetrieb gemeinsam mit Sohn, Schwiegertochter und Enkel betreibt.

Aber an Hrappur kommt auch heute noch keiner heran!

Wie kann es sein, dass sich so ein starkes Gefühl zu einem Pferd entwickelt, das weit über die Leistungskriterien, die ein Züchter anlegt, oder den sportlichen Ambitionen eines Turnierreiters hinausgehen, beides Gesichtspunkte, die natürlich auch immer eine Rolle spielen?

Liebe, ob zu einem Menschen oder zu einem Tier, ist immer eine höchst irrationale Angelegenheit, aber gibt es vielleicht auch rationale Gründe dafür, wenn so eine außergewöhnliche Bindung entsteht?

Bei Ullu und Hrappur scheint dies der Fall zu sein, denn Ullu kann sehr genau beschreiben, was sie an diesem Tier begeistert hat.

Als sie ihn auf ihrer Hochzeitsreise in Island – schon das scheint ein besonderer Zeitpunkt für besondere Emotionen – das erste Mal sah, machte er sofort Eindruck auf sie.

Viele Pferde haben die Beckers auf ihrer Tour über die damals noch nicht touristisch erschlossene Insel gesehen, doch dieser Hengst hob sich aus allen anderen heraus:

Schön, stolz und ein bisschen unnahbar stand er, von seinen Stuten umringt, auf der Weide. Als der Züchter Jón Einarsson dem jungen Brautpaar die Nachzucht aus Hrappur auf Vestri-Garðsauki präsentierte, überzeugte der Hengst die beiden sofort durch seine Vererbungsleistung. Und der Besitzer lobte ihn in den höchsten Tönen. – Dass dieser schon einen Ruf weg hatte – und zwar einen, der durchaus zu denken geben musste, erwähnte er natürlich mit keiner Silbe.

Doch Gunnar Steinsson, ein Insider und Freund der Beckers, der die beiden auf ihrer Tour begleitete, mahnte zu Vorsicht und Besonnenheit,  als er bemerkte, dass Ullu sich für Hrappur interessierte

„Glaubt nicht alles, was man euch erzählt“, warnte er. „ Dieser Hengst ist nicht ohne. Der hat nicht nur einen schlechten Charakter, der hat gar keinen – und reitbar ist der jedenfalls nicht!“

Aber Ullu hatte bereits Feuer gefangen und kaufte ihn trotz der gut gemeinten Warnung ihres Freundes. Im September 1964 wurde Hrappur nach Deutschland exportiert.

Sunna vom Steinbuckel, geboren 2005, hat Hrappur mehrfach im Stammbaum.
Lína vom Grenzland, geboren 2000, hat Hrappur ebenfalls mehrfach im Stammbaum.

Auch hier begeisterte er die Beckers durch seine Nachzucht, und das sprach sich schnell herum.

Deshalb wollte auch Kurt Hilzensauer ihn für seine Zucht ausleihen. Bei dieser Gelegenheit konnte er sich ganz nebenbei gleich von der starken Persönlichkeit des Hengstes überzeugen.

Als er allein zur Weide kam, um ihn abzuholen, da Ullu verhindert war, lag Hrappur entspannt in einer Ecke vor seiner Herde. Kurt machte sich daran die Stuten wegzutreiben. Da stand der Hengst gemächlich auf und reckte sich genüsslich. Auf sein Signal hin kamen die Stuten sofort zu ihm zurück. Er ließ sich weder einfangen noch anfassen, auch Brot konnte ihn nicht bestechen.

So musste Kurt schließlich unverrichteter Dinge abziehen und sich am folgenden Tag von Ullu helfen lassen. Aus ihrer Hand nahm er natürlich auch das Brot, das er am Tag zuvor aus der Hand eines anderen verweigert hatte.

Über zwei Jahrzehnte waren Ullu und Hrappur unzertrennlich, und sie haben unvergessliche Momente miteinander erlebt. Für Ullu verkörperte der Hengst genau das, was in ihren Augen das perfekte Islandpferd ausmacht:

Die Kombination aus Freizeitkumpel und Hochleistungssportpferd.

Mit ihm konnte sie an einem Tag Spitzenleistungen auf der Turnierbahn erringen und am nächsten einen entspannten Ritt durch den Wald machen. Mit Hrappur war sie 100 Tage quer durch die USA auf dem Great American Horse Race unterwegs.

Neben seiner Verlässlichkeit und Ausdauer auf dieser für Mensch und Tier herausfordernden Tour zeigte er dort noch andere, ungeahnte und für alle Beteiligten nützlichen Fähigkeiten:

Aus einer alten Kaffedose holt Ullu eine Klapperschlangenhaut heraus, ein Souvenir aus den USA.

Er hatte z.B. ein sehr feines Gehör. So konnte er das sehr ähnlich klingende Geräusch unterscheiden, das die gefährliche  Klapperschlange und die harmlose Grille verursachten. Wenn Hrappur ruhig blieb, wussten alle, dass es nur eine Grille war und keine Gefahr drohte.

Ullu hatte sich bei der Ausbildung ihres Lieblings viel Zeit genommen,  und so konnte sich das “ unreitbare Pferd ohne Charakter“ bei ihr entwickeln und zeigen, was tatsächlich in ihm steckte.

Wer hätte sich damals träumen lassen, dass dieser Hengst den Grundstein einer erfolgreichen Zucht auf dem Grenzlandhof legen würde?

Ullu, die in ihrem langen Reiterleben viele beglückende Momente auf dem Rücken unzähliger  Pferde verbracht hat, ist davon überzeugt:

„Glückliche Reiter finden irgendwann ihr Pferd.“- Ihres hieß

Hrappur! –

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